Seitengänge: Probleme, Lösungen und Übungsvorschläge

Schulterherein im Trab

Fünfter Teil der Serie über die Seitengänge

Mögliche Probleme und Übungen zu den Seitengängen

Im fünften und letzten Teil meiner Serie über die Seitengänge möchte ich noch ein paar Schwierigkeiten beschreiben, die häufig auftauchen und was man dagegen tun kann. A Ende beschreibe ich noch ein paar Übungen, in denen verschiedene Seitengänge kombiniert werden. 

In den Seitengängen erliegen viele Reiter der Versuchung, das Pferd mit dem inneren Zügel zur Seite ziehen wollen. Dagegen hilft die Vorstellung, das Pferd mit den äußeren Hilfen seitlich zu schieben. Bei Bedarf kann der innere Zügel leicht seitwärts weisen, um die Stellung zu fordern, nie aber sollte er rückwärts wirken. Eine zu starke Handeinwirkung blockiert die Hinterbeine, die treibenden Hilfen müssen immer dominieren. Geht das Pferd korrekt im Seitengang, merkt man das am inneren Zügel: Das Pferd wird hier leicht.

Bei allen Seitengängen braucht der Reiter einseitige Gewichtshilfen – hier liegt eine häufige Fehlerquelle. Gewichtshilfen soll der Betrachter nicht sehen, nur Reiter und Pferd dürfen sie spüren. Die Gewichtsverlagerung entsteht lediglich dadurch, dass Sie das äußere Bein aus der Hüfte heraus etwas zurücknehmen – dadurch entsteht auf dem gegenüberliegenden, also dem inneren Gesäßknochen etwas mehr Druck. Der Oberkörper bleibt dabei senkrecht und zentriert. Hilfreich ist außerdem – vor allem in den Traversalen – die Vorstellung, etwas in die Bewegungsrichtung zu sitzen und dass Pferd dabei mitnehmen zu wollen.

Wollen Sie ihr Gewicht im Schulterherein nach außen verlagern (siehe hier), treten Sie dazu den äußeren Steigbügel vermehrt aus, ohne die Beinposition zu verändern.

 

Gewichtshilfen sollten von außen eigentlich nicht oder kaum zu sehen sein... Durch übertriebene Gewichtshilfen erreicht man oft das Gegenteil des eigentlich Gewünschten.

Gewichtshilfen sollten von außen eigentlich nicht oder kaum zu sehen sein… Durch übertriebene Gewichtshilfen erreicht man oft das Gegenteil des eigentlich Gewünschten.

Verlagert der Reiter sein Gewicht zu stark auf eine Seite, knickt er häufig in der Hüfte ein. Die Folge: Das Gewicht wird unbewusst auf die falsche Seite verlagert und das Pferd weicht mit der Hinterhand aus. Auch das gegenteilige Problem ist möglich: Verlagert der Reiter sein Gewicht vor allem im Travers und den Traversalen zu wenig in die Bewegungsrichtung, bleibt er hinter der Bewegung. Die Folge: Das Pferd weicht aus und tritt nicht mehr richtig unter den Schwerpunkt. Lassen Sie deshalb ihren Sitz in den Seitengängen immer wieder durch einen erfahrenen Mitreiter oder Reitlehrer überprüfen.

 

 

Tipp: Das Schulterherein kann bei schreckhaften Pferden im Gelände sehr nützlich sein: Befindet sich das „Ungeheuer“ beispielsweise am linken Wegrand, stellen und biegen Sie ihr Pferd nach rechts und reiten im Schulterherein daran vorbei. So haben Sie ihr Pferd besonders gut an den Hilfen und es kann nicht so leicht zur Seite wegspringen.

Bei allen Seitengängen besteht die Gefahr zu übertreiben. Fordern Sie gerade zu Beginn von ihrem Pferd immer nur kurze Reprisen: Wenige gute Tritte sind viel wertvoller als endloses Üben. Wird zu lange seitwärts geritten, verspannt sich das Pferd und ermüdet – es wird immer zäher und langsamer und der Takt geht verloren. Ist das passiert, sollte man zunächst wieder schwungvoll geradeaus reiten. Auch wenn das Pferd zu schwanken beginnt, also mit der Hinterhand ausweicht, reiten Sie zuerst wieder mehr vorwärts. Erst wenn das Pferd wieder „zieht“, gut an den Hilfen steht und im Gleichgewicht ist, setzen sie erneut zum Seitengang an. Verliert das Pferd im Seitengang häufig Fleiß und Schwung, sollte man die Lektion immer wieder unterbrechen, in dem man geradeaus reitet und dabei zulegt. Beenden Sie den Seitengang möglichst immer, solange das Pferd noch korrekt geht und nicht erst, wenn Ihnen bereits alles aus dem Ruder läuft. Wechseln Sie lieber häufiger zwischen der Lektion und fleißigem Geradeaus.

Bei Schulterherein, Travers und Renvers neigen viele Reiter dazu, mit zu starker Abstellung – also zu großem Winkel zur Bande – zu reiten. Meist ist das Pferd noch gar nicht in der Lage, sich dementsprechend stark zu biegen und geht dann eher im Schenkelweichen als im Seitengang. Um dem entgegenzuwirken, achten Sie darauf, ihr Pferd gut um den inneren Schenkel zu biegen und die Vor- beziehungsweise Hinterhand nicht mehr als 30° in die Bahn zu führen.

Ein weiterer häufiger Fehler, den man häufig in den Seitengängen beobachten kann, ist das Verwerfen des Pferdes im Genick. Das Pferd stellt dabei den Kopf schief – meist nimmt es das innere Ohr tiefer und schiebt die Nase nach außen. Damit weicht es der korrekten Stellung im Genick aus. Passiert das nur kurzfristig, ist die Ursache leicht abzustellen: Wahrscheinlich hat der Reiter für einen Moment mit den Zügeln blockiert oder zu wenig getrieben – sobald die Einwirkung wieder stimmt, wird auch das Pferd sich wieder korrekt stellen. In diesem Fall kann es auch helfen, die innere Hand für einen Moment etwas höher zu tragen.

Verwirft sich ein Pferd dagegen ständig und vor allem auf einer Hand, liegen die Ursachen meist tiefer: Wahrscheinlich ist es noch nicht genügend gerade gerichtet, so dass es besonders in den Seitengängen noch nicht korrekt an beide Zügel herantreten kann. Die Fähigkeit zu Stellung und Biegung ist noch nicht genügend ausgebildet – das Pferd entzieht sich der dem Stellen und Biegen durch schieflegen des Kopfes. In diesem Fall sollte man zunächst zur gerade richtenden Biegearbeit auf gebogenen Linien zurückkehren – für die Seitengänge ist es dann einfach noch zu früh.

Kombinierte Übungen

Sobald sie Seitengänge beherrschen, können Sie mit den folgenden Übungen für Abwechslung sorgen und ihr Pferd zusätzlich hervorragend gymnastizieren:

Schulterherein und Travers kann man sehr schön durch Volten unterbrechen – beispielsweise in der Mitte der langen Seite oder auch in den Ecken. Auf der gebogenen Linie der Volte kann man – falls nötig – den Takt in Ordnung bringen und wieder für mehr Fleiß sorgen, um dann aus der Biegung der Volte heraus neu zum Seitengang anzusetzen.

Nach der Volte kann man alternativ auch den Seitengang wechseln, also beispielsweise vom Schulterherein über eine Volte ins Travers übergehen. Umgekehrt geht es natürlich genauso, also Travers – Volte – Schulterherein.

Oder Sie wechseln vom Schulterherein ins Renvers: Sie reiten beispielsweise Schulterherein aus der Ecke heraus an der langen Seite. In der Mitte der langen Seite halten sie an und behalten dabei die Abstellung bei. Nun stellen sie das Pferd um und reiten im Renvers weiter. Diese Übung ist auch möglich, ohne anzuhalten: Dabei wird das Pferd in der Bewegung aus dem Schulterherein ins Renvers umgestellt – dabei sollten Takt und Schwung erhalten bleiben.

Wer in der Ausbildung schon sehr weit fortgeschritten ist, kann Traversalen mit dazu nehmen: Vom Schulterherein über eine Volte in die Traversale übergehen oder auch direkt in die Traversale wechseln. Auch Traversalen kann man sehr schön durch Volten an der Diagonalen unterbrechen und auflockern.

Eine weitere kombinierte Übung mit Traversalen: In einer halben Traversale bis zur Mittellinie, am Mittelpunkt eine Acht aus zwei aneinandergehängten Volten reiten und daraus wieder zurück zum Hufschlag traversieren. Durch einen solchen Wechsel zwischen den Seitengängen wird das Pferd immer geschmeidiger und durchlässiger.

Tipp: Sehr effektiv ist es, aus dem Schulterherein oder der Traversale heraus die Tritte zu verlängern. Die Hinterbeine treten dann besonders gut vor und das Pferd entwickelt einen schönen Schwung.

Denken Sie bei all diesen Übungen immer daran: Lassen Sie sich und dem Pferd genügend Zeit und gehen Sie immer erst zur nächst schwierigen Lektion, wenn das zuletzt Erlernte gut uns sicher sitzt. Tauchen Schwierigkeiten auf, gehen Sie wieder einen Schritt zurück und lassen sich möglichst von einem erfahrenen Mitreiter oder Reitlehrer helfen. Auch wenn scheinbar alles problemlos klappt, sollten Sie die Seitengänge gelegentlich von einem Außenstehenden überprüfen lassen – vom Boden aus ist meist besser zu sehen, ob wirklich alles stimmt.

 

Hier finden Sie noch einmal alle vorhergegangenen Teile der Serie zu den Seitengängen:

Erster Teil: Einführung

Zweiter Teil: Schenkelweichen, Schulter vor und Reiten in Stellung

Dritter Teil: Schulterherein

Vierter Teil: Travers, Renners und Traversalen

3 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Pingback: Serie über Seitengänge: Einführung | Pferdialog

  2. Ich finde die Berichte über Seitengänge sehr hilfreich.
    Man ist nicht immer schlüssig wenn man die Seitengänge mit dem Schüler erarbeitet .

    Mit freundlichem Gruß

    P. Korst

  3. Pingback: Die Skala der Ausbildung: Geraderichten | Pferdialog

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