Schlagwort Dominanz – was ist dran am Rangordnungs-Prinzip?

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„Du musst dominanter sein“ – „Dem musst du zeigen wo’s langgeht, der ist sehr dominant“ – „Dominanztraining“… solche Sätze und Schlagwörter hört man seit den 1990Jahren häufig in der Pferdeszene. Besonders bei Natural Horsemanship-Trainern ist das Wort in aller Munde und Die Dominanz des Menschen wird dem Pferd häufig im Roundpen erklärt. Das Ausbildungsmethoden, die auf dem Dominanzprinzip aufbauen, funktionieren, ist ausreichend erwiesen: Auf diese Art trainierte Pferde haben in der Regel großen Respekt vor ihrem Menschen und gehorchen ihm anstandslos.

Andererseits empfinde ich solche Pferde oft als roboterhaft, sie funktionieren wie eine Maschine und es fehlt ihnen das Lebendige, die Freude an der Zusammenarbeit mit dem Menschen. Und ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass sich Pferde auch sehr kooperativ verhalten, wenn man NICHT strikt dominant ihnen gegenüber ist: Also beispielsweise zulässt, dass sie einen freundlich beknuppern, was ja bei vielen Horsemanship-Trainern absolut tabu ist. Hier soll jeder Körperkontakt eigentlich vom Menschen ausgehen und bestimmte werden. Oder wenn man ihnen in bestimmten Situationen ein Mitspracherecht einräumt oder ihnen sogar auch mal die Führung überlässt: Dass sie dann trotzdem den Grundrespekt behalten und einen dann keineswegs bei der nächsten Gelegenheit über den Haufen rennen.

Was ist also dran am Dominanzprinzip – wie viel Dominanz brauchen wir wirklich dem Pferd gegenüber?

In der Verhaltensbiologie bedeutet Dominanz, dass ein Lebewesen gegenüber anderen einen höheren sozialen Status hat, worauf die anderen mit Unterwürfigkeit reagieren. In jüngerer Zeit weisen allerdings vor allem Verhaltensforscher darauf hin, dass Dominanz in Pferdeherden gar keine so große Rolle spielt, wie vielfach angenommen und dass die Ausbildung nach dieser Methode einige Nachteile birgt. Ist das Dominanzprinzip in der Pferdeausbildung also noch zeitgemäß?

Die Lehre vom Alpha-Tier Mensch, dem das Pferd bedingungslos gehorchen soll, kam in den 1990er Jahren in Mode: Mit dem Natural Horsemanship schwappte auch der Begriff der Dominanz aus den USA zu uns und viele Ausbilder machten ihn sich zu eigen. Abgeleitet wird dieses Prinzip aus dem natürlichen Herdenverhalten des Pferdes, wo es strenge Hierarchien gebe und sich die rangniedrigen Pferde dem Alpha-Tier bedingungslos unterordneten. So heißt es beispielsweise bei einem der Ausbilder, die nach dieser Methode arbeiten: „Der Mensch muss das Leittier des Pferdes sein, denn nur dem Leitpferd ist es bereit sich gehorsam unterzuordnen und es zu respektieren. … Hat der Mensch die Dominanz über sein Pferd, ist dieses bereit ihm bedingungslos zu dienen, zu gehorchen und sich unter seiner Autorität geborgen zu fühlen“. Und weiter: „Ein Pferd herrscht über den Rangniederen und dient dem Ranghöheren, es gibt nichts dazwischen.“

Dominanz oder Freundschaft - wie wir mit unseren Pferden umgehen muss jeder für sich selbst entscheiden

Dominanz oder Freundschaft – wie wir mit unseren Pferden umgehen muss jeder für sich selbst entscheiden

Freundschaft statt Dominanz?

Gerade dem letzten Punkt widersprechen allerdings die neueren Erkenntnissen der Verhaltensforschung: Demnach sind die Verhältnisse in Pferdeherden keineswegs so eindeutig. So beobachtete Viktoria Herms für ihre Diplomarbeit an der Universität Lüneburg eine Herde verwilderter Liebenthaler Pferde. Dabei stellte sie fest, dass sich die Rangordnung zwischen den einzelnen Pferden ständig veränderte und es lediglich eine Gruppe eher rangniedriger und eine Gruppe eher ranghöherer Pferde gab. Sie ist deshalb der Ansicht, dass Dominanz keine Pferdesprache sei, sondern „nur ein lateinisches Wort für das Durchsetzen unseres Anliegens mit Hilfe aggressiver Kommunikationsformen“. Auch bei unseren Hauspferden lässt sich oft beobachten, dass die Hierarchien keineswegs linear sind: In einer Gruppe ist beispielsweise eine ältere Stute die Chefin. Sie ist die einzige, die den Herdentyrann, einen Wallach, der alle anderen Pferde von Futter und Wasser vertreibt, im Griff hat. Gleichzeitig lässt sich diese Stute aber von einem anderen Wallach, mit dem sie gut befreundet ist, vertreiben. Jedes dieser Pferde ist gleichzeitig Alpha-Tier und ordnet sich doch auch einem anderen unter. Das Dominanzprinzip macht es sich also zu einfach – die Realität ist viel komplexer.

Wesentlich stabiler als die Rangordnung in Pferdeherden sind laut Viktoria Herms Erkenntnissen dagegen Freundschaften – wäre es da nicht eine naheliegende Alternative, mit unserem Pferd eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen?

Ein weiterer Aspekt: Alpha-Tier und Herdenchef sind nicht einfach gleichzusetzen. Es gibt Pferde, die aus reiner Schikane alle anderen Herdenmitglieder von einem Futterplatz zum nächsten scheuchen und die man als sehr dominant bezeichnen würde. Solche Pferde sind allerdings selten auch Herdenführer. Die anderen Tiere meiden solche Tyrannen und folgen lieber einem Pferd, das sich durch Erfahrung und Souveränität auszeichnet. Wenn dieses Pferd beispielsweise entscheidet, dass es Zeit ist, zur Tränke zu marschieren, folgen die anderen unaufgefordert – einfach weil sie beobachtet haben, dass dieses Pferd vernünftige Entscheidungen trifft, die günstig für das Wohl aller Tiere der Gruppe sind. Der amerikanische Trainer und Autor Mark Rashid beschreibt dieses Prinzip der positiven und eher passiven Führerschaft sehr eindrücklich in seinem Buch „…denn Pferde lügen nicht“. Und er stellt die naheliegende Frage, welche Art von Chef wir gerne sein möchten: Der Tyrann, dem sich zwar alle unterordnen, der aber gleichzeitig gemieden wird? Oder der souveräne Führer, der sich hauptsächlich durch seine Vertrauenswürdigkeit und Erfahrung auszeichnet und dem sich die anderen Pferde freiwillig anschließen?

Zweifelsohne funktioniert das Dominanzprinzip: Es ist logisch aufgebaut und deshalb für das Pferd gut durchschaubar – bei einem guten Trainer weiß das Pferd immer, woran es ist. Auch wenn dieses Prinzip mit Härte durchgesetzt wird, kann man es deshalb keinesfalls mit der willkürlichen Gewalt vergleichen, der Pferde in allen Lagern oft ausgesetzt sind. Pferde, die nach dieser Methode ausgebildet wurden, funktionieren oft wie auf Knopfdruck und führen auf minimale Kommandos beindruckende Manöver aus. Oft wirken sie dabei allerdings wie leblose Roboter; sie machen „Dienst nach Vorschrift“ ohne jeden Spaß an der Mitarbeit. Denn wenn ein Pferd nichts ohne ausdrückliche Aufforderung tun darf, unterdrückt man jede Eigeninitiative. Das kann soweit führen, dass das Tier in den Zustand der erlernten Hilflosigkeit gerät: „Das Pferd agiert immer passiver und wird auch bei massiver negativer Einwirkung nicht mehr versuchen, sich zu wehren, sondern sich seinem Schicksal ergeben. Es hat sich dann in ein Gefühl der allgemeinen Machtlosigkeit und Ohnmacht zurückgezogen…. Dieser Zustand ist eine seelische Qual für das betroffene Pferd“, beschreibt die Verhaltensbiologin Marlitt Wendt dieses Befinden.

Natürlich ist nicht jedes Pferd, das nach dem Dominanzprinzip ausgebildet wird, im Zustand der erlernten Hilflosigkeit. Die Übergange fließend: Viele Trainer, die damit arbeiten, betonen gleichzeitig die große Bedeutung eines guten Vertrauensverhältnisses zum Pferd. Auch bei der Härte, mit der die ranghohe Position durchgesetzt wird, gibt es viele Abstufungen. Es macht also wenig Sinn, das Dominanzprinzip grundsätzlich zu verteufeln.

Sinnvoll ist es aber sicher, darüber nachzudenken, was man für die eigene Beziehung zu seinem Pferd möchte: Brauche ich ein Pferd, das sich mir bedingungslos unterwirft und immer gehorcht? Oder möchte ich einen Freizeitpartner, der mit mir durch dick und dünn geht, weil er weiß, dass er mir vertrauen kann?

Pferde sind von Natur aus kooperativ

Dr. Andrew McLean, ein in Australien sehr bekannter Trainer und Verhaltensforscher, ist der Ansicht, dass das Verhalten des Pferdes gegenüber dem Menschen weitgehend antrainiert ist. Gutes Benehmen hat also wenig mit Unterwerfung zu tun sondern viel mehr mit guter Ausbildung. Pferde sind von Natur aus kooperativ und bemühen sich fast immer, es ihrem Menschen recht zu machen – auch wenn wir das aufgrund von Missverständnissen nicht immer so wahrnehmen. Viel wichtiger als vordergründiges Dominanz-Gehabe ist es deshalb, sich dem Pferd verständlich machen zu können und für das Pferd nachvollziehbar zu handeln. Kommt dazu noch eine gelassene Souveränität, die dem Pferd Sicherheit gibt, und eine fürsorgliche Freundlichkeit, bei der sich das Pferd wohlfühlt, werden Auseinandersetzung um die Rangordnung schnell überflüssig.

Sicher wird es immer Situationen geben, wo das Gewünschte  dem Pferd so unangenehm, anstrengend oder unheimlich ist, dass es nicht gleich mitmacht. Daraus muss man aber keinen grundlegenden Hierarchiekampf machen. In der Regel reicht es, beharrlich zu bleiben und die Aufgabe in möglichst kleine, gut verständliche Schritte aufzuteilen.

Interessanterweise trifft man gelegentlich auf ältere, sehr erfahrene Pferdemenschen, die von dem Begriff der Dominanz noch nie etwas gehört haben und dennoch ohne großes Theater mit den schwierigsten Pferden sicher umgehen können. Die Pferde spüren einfach ihre Selbstsicherheit und Souveränität und folgen ihnen deshalb ohne vorherige Auseinandersetzung. Sich eine solche Souveränität zu erarbeiten ist natürlich schwieriger, als wild mit einem Seil oder der Peitsche zu wedeln – aber es lohnt sich!

 Tipps zum Weiterlesen

Die Verhaltensbiologin Marlitt Wendt erläutert in Ihrem Buch ausführlich die Problematik der Dominanztheorie und stellt ihr wissenschaftlich begründetes Freundschaftsprinzip als Alternative vor. Marlitt Wendt: Vertrauen statt Dominanz. Wege zu einer neuen Pferdeethik, Cadmos Verlag, € 24,90.

Ein sehr persönliches Plädoyer für einen partnerschaftlichen statt hierarchischen Umgang mit dem Pferd, untermauert von zahlreichen Zitaten großer Pferdeleute: Therese Grosswiele: Vergiss die Dominanz! Eine Bilderfibel zum freundschaftlichen Umgang von Mensch und Pferd. Therese Grosswiele Verlag, € 19,90.

Dieses kleine Büchlein gibt einen interessanten Einblick in die ähnlich verlaufende Dominanz-Diskussion unter Hundetrainern und -haltern:
Barry Eaton: Dominanz – Tatsache oder fixe Idee? Animal learn Verlag, € 5,-.

 

Jetzt würden mich Eure Meinung und Eure Erfahrungen interessieren:

Wa haltet Ihr von Dominanz in der Ausbildung und im Umgang mit Pferden?

Was darf euer Pferd und was nicht?

Würdet Ihr euch manchmal mehr Respekt/Gehorsam wünschen oder könnt ihr euch gut durchsetzen?

Ist euch Freundschaft/Vertrauen wichtiger oder Gehorsam/Respekt? Oder sind das gar keine Gegensätze?

14 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ein supertoller differenzierter Artikel, danke! Ich komme immer mehr zum Schluss, dass es einfach Sinn macht, für die eigenen Grenzen einzustehen (zum Beispiel beim Abstand beim Führen). Bei Kindern ist es meiner Ansicht nach genau gleich. Sie sollen sich dort zurücknehmen, wo es für die anderen unerträglich wird und auch genau deswegen und nicht aus Prinzip. Soviel Freiheit wie möglich.
    Dabei möchte ich trotzdem ernst genommen werden und dafür bin ich mit meinem Vethalten zuständig.
    Dominanz aus Prinzip ist unnatürlich, das macht kein Lebewesen so (ausser Menschen, wenn sie es sich do beibringen lassen – ich bin mir relativ sicher, dass die Motivation dahinter der Versuch ist, durch möglichst vollständige Kontrolle Sicherheit zu generieren. Das funktioniert aber nicht.)

  2. Dieser Artikel spricht meiner Frau und mir aus der Seele. Wir haben 2 Spanische Stuten , 1 Spanischen Hengst und eine Mischung aus Mutter war Quater/Araber und Vater Haflinger . Unser spanischer Züchter gab uns eine
    Bedienungsanleitung mit . Einen Hengst beschmust man nicht.
    Da wir aber unsere Tiere als Partner ansehen, bleibt loben und schmusen nicht aus. Auch mit unserem Hengst, der das in vollen Zügen genießt. Recht hat unser Züchter was die Leckerchen angeht, wenn ich über Leckerli lobe, fängt er an immer mehr zu fordern. Es fängt mit leichtem Stubsen an und geht beim nicht unterbinden bis zum Schnappen. Also wird viel mit Stimme und mit Streicheln gelobt. Zum Schluss ein Leckerli.Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Freundschaft und Vertrauen automatisch Respekt und Gehorsam mit sich bringt.
    L.G. Martina&Peter Dussy

  3. Ohne etwas Disziplin geht es nicht. Beim Aufsteigen soll das Pferd stillhalten; wenn man am Rand einer Straße warten muss, soll es nicht unruhig herumzappeln, weil das gefährlich werden kann. Umgekehrt wollte mein Pferd Athene durchaus gern meine Wünsche erfüllen und fand es nicht nur schön, dafür gelobt zu werden, sondern sie war auch stolz darauf. Wenn sie sich mit ihrem Reiter gut vertrug, gab sie sich auch Mühe, sich so zu verhalten, dass es ihm gut ging. Das übersah sie nicht immer so ganz, z.B., wenn sie durch ein Loch im Gebüsch wollte, das eigentlich nur ohne Reiter groß genug war. Sie konnte allerdings auch sehr störrisch werden, wenn ihr eine reiterliche Absicht als völlig falsch vorkam. Während ihrer aktiven Zeit hatten wir viel Freude daran, dass sie gern frei genau auf Schulterhöhe neben meiner Tochter oder mir herlief; später hatte ich manchmal den Verdacht, dass sie sich dabei als Leitstute betrachtete, die uns auf dem rechten Weg hielt. Jedenfalls amtierte sie nach ihrer aktiven Zeit gern als Leitstute, gab vor, wann man auf der Weide wohin ging, und war ständig so wachsam, dass sie gar nicht sehr zum Fressen kam, und die anderen Pferde machten das mit, obgleich sie eher kleiner, schlanker und weniger kräftig war, allerdings sehr wendig.

  4. Sehr guter Artikel dem ich nur beipflichten kann. Mein Wallach war absolut schwierig. Oft dachte ich das packe ich nicht. Bis mir klar wurde vieles liegt an meiner Gelassenheit und Souveränität. Zuerst kommt das Verstehen. Wie soll das Pferd vertrauen wenn es gar nicht versteht was der Mensch will. Ich vertraue auch niemandem dessen Sprache ich nicht kenne. Das Vertrauen kommt fast von alleine. Wird aber immer wieder vom Pferd abgefragt. Auch sollte das Vertrauen gegenseitig sein und nicht nur vom Pferd verlangt werden. Als drittes stellt sich das Vergnügen ein. Es macht Spass mit einem Pferd vertrauensvoll zu arbeiten. Zu sehen wie es mitmacht und versucht deine Körpersprache und Stimme umzusetzen. Neue Übungen zu lernen ist ein gegenseitiger Prozess und funktioniert selten nach Lehrbuch. Mittlerweile laufen (er wird nicht mehr geritten 29 j.) wir einfache Dressurprogramme an der Longe oder frei. Ohne Stress aber mit gewisser Konsequenz und gegenseitigem Vertrauen. Wenn’s halt mal nicht klappt,was soll’s lach drüber und mach weiter.

  5. Danke für den guten Artikel. 🙂
    Schön, dass es sich langsam herumspricht, dass Dominanz im Sinne von „sich immer durchsetzen müssen“ oder „immer recht behalten“ nicht unbedingt sinnvoll ist, wenn man ein Pferd als Freund möchte und nicht es benutzen wie einen Tennisschläger oder ein Paar Ski.
    Linda Tellington-Jones macht es seit Jahrzehnten vor. Ich liebe ihr Zitat: „Mit dem Pferd arbeiten ist wie tanzen, einer muss führen, sonst funktioniert es nicht.“ aber auch: „Behandle Dein Pferd so, wie Du selbst behandelt werden möchtest.“ Und sie fügte schmunzelnd hinzu: „und so lange ich das Futter bezahle, führe ich ;-)“.
    Sie ist für mich die Vorreiterin für partnerschaftlichen Umgang mit dem Pferd. Sie lehrt, wie wichtig es ist, dass die Bedürfnisse der Pferde erfüllt sind, und dass wir lernen müssen, uns verständlich zu machen. Dass Druck nichts bringt. Dass Pferde von Natur aus kooperativ sind, so lange sie keine schlechten Erfahrungen, Ängste, Schmerzen o.ä. haben. Wenn ein Pferd uns nicht versteht oder gerade nicht in der Lage ist, unserer Aufforderung nachzukommen, ist es unsere Aufgabe, ihm zu helfen. Schliesslich wollen WIR etwas von IHM. Unser Pferd hätte vielleicht gerade ganz andere Prioritäten, trotzdem schenkt es uns seine Zeit, seine Zuneigung, seine Kraft. Trägt uns auf seinem Rücken, obwohl das dem worst-case-szenario eines Pferdes recht nahe kommt: Das Raubtier Mensch auf dem Rücken des Fluchttiers Pferd, womöglich noch alleine ohne Herdenunterstützung in fremdem Gelände. Und dann wundern sich manche Reiter, dass ihr Pferd am Heimweg schneller wird oder womöglich gar nicht vom Stall weg möchte. Vielleicht hat es einfach nicht gelernt, dieser Situation zu vertrauen und hat Stress damit. Pferde sind genauso unterschiedlich wie wir Menschen, manche sind mutiger als andere, manche lernen schnell, andere langsam usw.
    Klar, dass in unserer heutigen Umgebung normalerweise der Mensch führen muss, schon allein aus Sicherheitsgründen. Aber es sollte sich führen lassen, weil es sich seinem Menschen gerne anvertraut, nicht weil es Angst vor ihm hat. Und das bedeutet auch nicht, dass man sich alles gefallen lassen muss. Ich lasse mir von einem Tanzpartner auch nicht die Taschen durchwühlen, mich zur Seite rempeln oder auf die Füsse treten, ohne ihm mitzuteilen, dass sein Verhalten nicht o.k. ist ;).
    Aber wenn ich genauso aufmerksam und konsequent bin wie mein Pferd, reichen im allgemeinen kleine Hinweise. Grob wird man meistens, weil man selbst Stress hat, z.B. Zeitdruck, oder eine unrealistische Erwartung, oder man war zu oft inkonsequent und das Pferd reagiert nicht mehr , weil es gelernt hat, einen zu ignorieren. Und dann gibt es diejenigen, die einem alles schenken und die anderen, die permanent nachfragen.
    Wenn das Vertrauen gut ist und die Kompetenzen klar sind, kann (in einer sicheren Umgebung!) das Pferd gerne Vorschläge machen, die ich durchaus gelegentlich aufgreife. Pferde haben sehr gute Ideen, wenn man sie lässt und sie wissen meistens recht gut, was ihre Aufgabe ist, wenn sie sie verständlich gelernt haben. Früher war es für viele Menschen selbstverständlich, ihren Pferden zu vertrauen; durch die tägliche gemeinsame Arbeit kannte man sich natürlich sehr gut und war oft aufeinander angewiesen.
    Pferde, die echte Partner sind, sind immer schön. Sie sind zufrieden, ihre Augen leuchten, sie bewegen sich auf eine schöne Art und haben dort Muskeln, wo sie hingehören. Und – ich bekam von Reitschülern vor Jahren die Rückmeldung, sie hätten noch nirgends so höfliche Pferde erlebt wie bei mir. Ein schönes Kompliment.

  6. Dominanz und Rangordnung sind nur innerhalb einer Art möglich. Somit erübrigen sich weitere Argumente 😉 Als Pferdeverhaltenstherapeutin und früherer NHSler ,sehe ich Dominanztraining als völlig unsinnig. Auf http://www.pferdsein.de steht alles zur Ethologie des Pferdes und das Wissen darüber sollte Pflicht für Jeden im Umgang mit Pferden sein.

  7. Toller Artikel. Mein kleiner ist mit seinen 4 Jahren gerade im Pflegelalter. Mit seinem Ponydickkopf meint er mal nicht aus der Box raus zu gehen, nicht in die Hallte zu gehen oder einen umzurennen. Da muss auch mit viel Konsequenz gegen an gearbeitet werden. Ich denke man muss immer den richtigen Grad finden. Mit Liebe, aber energisch, denn es geht ja nicht nur darum ein gut ausgebildetes Pferd zu haben, sondern in vielen Fällen vor allem auch um das Thema Sicherheit. So manches Pferd, was sich nicht führen lässt ist einfach eine Gefahr für das Umfeld.

  8. Wow, toller Artikel!
    Ich bin gerade dabei, mich in das große Thema Pferd einzulesen.
    Vom Hund bin ich das ständige Thema Dominanz ja gewöhnt, da ist es äußerst interessant zu sehen wie das so bei den Pferden abläuft.
    Danke für den Artikel!
    Viele Grüße
    Tim

  9. Wow, was für ein toller Beitrag!
    Ich habe seit einem Jahr einen jungen Huzulenwallach, der von Anfang an sehr sehr bemüht war alles richtig zu machen und fast schon zu unterwürfig war. Dabei hatte und hat er aber vor einigen Dingen grosse Angst.
    Ein liebevoller und zugleich bestimmter Umgang hat uns bisher schon ganz weit gebracht und das werden wir so fortsetzen.
    Liebevolle Beharrlichkeit, und keine Frechheiten dulden, das ist meiner Meinung nach das beste Erziehungsrezept.

    Liebe Grüsse
    Marion

  10. Ein Artikel der mir aus der Seele spricht.
    Mein, wie viele sagen, sehr „dominanter“ Wallach hat bei solchen „Dominanzübungen“ oft kontert gegeben und wollte nicht recht mitarbeiten.
    Seit ich selbst umgedacht habe und zwar konsequent aber doch jederzeit liebevoll und ehrlich zu ihm bin kommen wir sehr gut zurecht, er kommt gerne zum schmusen zu mir, begrüßt mich freudig wenn ich das Gelände betrete und vor allem, er bleibt er selbst, macht weiterhin „Vorschläge“ und hat durchaus interessante Ideen auf die ich, wenn ich Sinn darin sehe und Zeit habe gerne auch eingehe.
    Leider bekomme ich viel Kritik bei uns im Stall, wo viele mit ihren Pferden nach NHS arbeiten.
    Ich denke jeder muss seinen eigenen Weg finden, für mich ist dieser Weg ein freundschaftlicher und kein Unterwerfen des Pferdes.

    • Hallo Valerie, danke für deinen netten Kommentar! Ja, es ist nicht einfach, wenn die anderen den eigenen Weg nicht verstehen – Aber die Hauptsache ist doch, dass man mit seinem Pferd gut klarkommt und Spaß miteinander hat! Ich wünsche euch weiterhin alles Gute!

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