Im Test: Der Equisense Motion Sensor

Die Digitalisierung kommt langsam aber sicher auch im Pferdesport an: Mit dem Equisense Motion Sensor kann man seine Reiteinheiten aufzeichnen und nach Kriterien wie Symmetrie, Taktreinheit und Trainingsaufbau analysieren. Ich teste das Gerät seit einigen Monaten. 

In vielen Sportarten ist es schon lange üblich, das Training und mit einer App zu beobachten. So überwachen beispielsweise Läuferinnen und Radsportler ihre  Trainingsdauer, zurückgelegte Routen, Herz- und Pulswerte und bekommen so wichtige Informationen, um Fortschritte zu beobachten und das künftige Training sinnvoll zu planen. 

Das französische Startup Equisense hat vor kurzem ein Gerät auf den Markt gebracht, mit dem so etwas auch beim Reiten möglich ist. Dafür wird ein kleiner Sensor in der Mitte des Sattelgurts angebracht, der während der Reiteinheit zahlreiche Daten aufzeichnet. Anschließend werden diese per Bluetooth auf das Smartphone übertragen und mit Hilfe einer speziellen App gespeichert und analysiert. 

Ich habe den Equisense Motion Sensor nun seit einigen Monaten getestet und möchte euch hier von meinen Erfahrungen berichten. 

Zunächst einmal vorab: Seit ich den Sensor regelmäßig benutze, möchte ich eigentlich nicht mehr ohne reiten. Wenn ich ihn mal im Sattelschrank vergessen habe oder ihn nicht benutzen kann, weil der Akku leer ist (das ist erst einmal passiert, die Akkulaufzeit ist ziemlich lang), ärgere ich mich richtig. Denn ich habe mich schnell daran gewöhnt, nach dem Reiten schauen zu können, wie lange ich galoppiert bin und ob ich einigermaßen gleichmäßig auf der rechten und linken Hand unterwegs war. 

Copyright: Equisense

So hat mir meine Reitlehrerin vor kurzem aufgetragen, pro Reiteinheit möglichst 20 Minuten zu galoppieren: Einfach weil Galopp für die Pferdegesundheit und Fitness unheimlich wichtig ist. Dank Sensor weiß ich, dass wir das in der Reitstunde auch ziemlich genau geschafft haben. Und dass ich es seither kein einziges Mal mehr hin bekommen habe… 13 Minuten waren das höchste der Gefühle. Für mich ist das ein super Ansporn und mein Ehrgeiz ist geweckt, das endlich auch einmal in einer Reiteinheit ohne Reitlehrerin zu schaffen. 

Erschreckend war für mich die Erkenntnis, wie wenig ich eigentlich im Gelände galoppiere. Die Galoppstrecke auf unserer kleinen Standard-Waldrunde geht gerade mal 3 Minuten! Ich reite die schon immer zweimal, aber auch so komme ich also nur auf 6 Minuten. Und auf meiner am häufigsten gerittenen etwas längeren Runde mit insgesamt 2 Stunden Reitzeit dauert die Galoppstrecke gerade mal vier Minuten. Leider lässt sich das, anders als auf dem Platz, kaum ausweiten: Wir wohnen im Schwarzwald, wo es wegen der vielen Steigungen einfach nur sehr wenige geeignete längere Strecken gibt. 

Der zweite für mich wichtige Wert ist das Reiten auf der linken und rechten Hand: Damit kann man sehr gut kontrollieren, ob man mehr auf der Schokoladenseite unterwegs war oder beide Seiten gleichmäßig trainiert hat. Sehr interessant ist das für mich überraschenderweise übrigens auch im Gelände: Mein Pferd ist rechts hohl und hängt gerne auf der linken Schulter. Beim geradeaus reiten im Gelände interpretiert der Equisense Motion diese Schiefe als Reiten auf der rechten Hand. Wenn nach einem Ausritt also angezeigt wird, dass ich 70 Prozent der Zeit auf der rechten Hand unterwegs war, ist klar, dass Rosana die meiste Zeit in ihrer natürlichen Schiefe dahergelatscht ist. Und tatsächlich: Wenn ich mich auch im Gelände darauf konzentriere, mein Pferd auszubalancieren, sind die Werte anschließend viel ausgeglichener. 

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Ein weiterer Wert, den der Sensor ermittelt, ist die Symmetrie. Dafür werden im Trab auf gerader Linie die beiden Beindiagonalen verglichen und mit einer Note von 1 bis 10 bewertet. Man kann sich die Werte der letzten fünf oder 20 Einheiten in einer Kurve anzeigen lassen, so dass positive oder negative Entwicklungen leicht zu erkennen sind. Wenn es hier zu plötzlichen Verschlechterungen kommt, kann das auf eine drohende Lahmheit hinweisen. Rosanas Werte liegen hier recht konstant zwischen 6.5 und 7.5. 

Der nächste Wert ist der „Rhythmus der Gangarten“, aufgeschlüsselt in „Reinheit“ und „Takt“. Hier finde ich die Begrifflichkeit etwas schwierig, den mit Takt wird hier die Anzahl der Schritte pro Minute bezeichnet. In der klassischen Reitlehre ist dieser Begriff aber ganz klar als „das räumliche und zeitliche Gleichmaß in den drei Grundgangarten“ definiert. Ich fände es deshalb besser, diesen Wert in der App beispielsweise mit „Frequenz“ zu bezeichnen, um Verwirrung vorzubeugen. 

Die Begriffe „Takt“ und „Aufrichtung“ werden in der App meiner Meinung nach nicht ganz korrekt verwendet.

Das gleiche gilt für den vierten Messwert, die Aufrichtung. In der klassischen Reitlehre ist damit gemeint, das Hals und Kopf des Pferdes höher getragen werden, weil das Pferd sich durch die Versammlung in der Hinterhand absenkt und sich trägt (relative Aufrichtung). In der App ist damit aber die „Erhebung bzw. Senkung des Pferdekörpers bei jedem Schritt in cm“ gemeint. Was ich aus diesem Wert ablesen soll, ist mir ehrlich gesagt nicht so ganz klar.

Ich reite relativ viele Lektionenwie Traversalen, Außengalopp und Piaffen. Ich vermute, dass der Equisense Motion das nicht erkennt, sondern diese Sequenzen meine Werte für Takt,  Rhythmus und Symmetrie verfälschen. Hier würde ich mir mehr Informationen bzw. eine genauere Aufschlüsselung der Werte nach gerittenen Lektionen wünschen. 

Noch ein eher kleiner Kritikpunkt: Einmal ist es mir passiert, dass ich nach dem Reiten vergessen habe, die Aufzeichnung zu stoppen. Der Sensor lief dann einfach weiter, bis der Akku leer war. Das hat übrigens 105 Stunden gedauert… Der Akku hält also wirklich lange! Danach hat es ewig gedauert, bis diese Einheit auf die App heruntergeladen war und der Sensor war so lange blockiert.

Deshalb fände ich es gut, wenn eine Aufzeichnung automatisch gestoppt wird, wenn zum Beispiel länger als 15 Minuten keine Bewegung mehr gemessen wurde. Denn dann ist ja eigentlich klar, dass der Reiter nur vergessen hat, den Sensor auszuschalten. 

Copyright: Equisense

Und noch ein Verbesserungsvorschlag: Wenn ich ausreite, lass eich manchmal eine Mountainbike-App mitlaufen, um unter anderem sehen zu können, wie viele Kilometer ich zurücklege und wie viele Höhenmeter wir geschafft haben. Wenn diese GPS-Funktion in den Sensor und die dazugehörige App integriert werden könnte, fände ich das einen echten Mehrwert! Inzwischen habe ich erfahren, dass Equisense sich darüber auch schon Gedanken macht – es kann also sein, dass diese Funktion bald kommt.

Mein Fazit: Natürlich braucht man den Equisense Motion nicht unbedingt. Genauso wenig wie man eigentlich ein Smartphone braucht… Es ist wie mit vielen Errungenschaften der Digitalisierung: Sobald man sich mal daran gewöhnt hat, möchte man sie nicht mehr missen. Ohne die Testmöglichkeit, hätte ich mir das relativ teure Gerät vermutlich nicht angeschafft. Jetzt überlege ich mir aber sehr ernsthaft, das den Equisensor nach der Testphase zu kaufen. 


Besonders nützlich ist das Gerät sicher für alle, die keine Möglichkeit zu regelmäßigem Unterricht haben und die ganz gezielt trainieren möchten. Aber auch für alle anderen ist es einfach spannend, seine Reiteinheiten so genau beobachten und dokumentieren zu können.

Seit dem letzten Update der App bekommt man nach jeder Einheit sogar einen individuellen Hinweis, beispielsweise wie der Takt im Vergleich zu den Durchschnittsnoten der Community ist oder wie sich die Symmetrie in letzter Zeit entwickelt hat. 

Außerdem gibt es in der App auch jede Menge Trainingshinweise und gezielte Übungen, um bestimmte Aspekte zu verbessern. 

Außerdem werden die Nutzer der App über einen regelmäßigen Newsletter Nutzer begleitet und beispielsweise auf neue Übungen und Blogbeiträge hingewiesen. 

Die App kann man sich übrigens auch ohne Equisense Motion herunterladen, um einen ersten Eindruck zu bekommen: App Store, Google Play

Einen weiteren Testbericht, in dem sehr genau auf die einzelnen Funktionen des Geräts eingegangen wird, findet ihr übrigens hier: Der Equisense Motion – wie funktioniert das?

Und in den FAQ auf der Seite von Equisense wird auch noch mal ganz genau erklärt, wie der Sensor funktioniert und wie die verschiedenen Werte ermittelt werden.

5 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Herzlichen Dank für den Bericht, er spricht wirklich genau die Themen und Erfahrungen an, welche ich mit dem Sensor auch mache.
    Was mir persönlich noch aufgefallen ist, je öfter ich mit dem Sensor arbeite und so auch mehr Trainingseinheiten bekomme, umso besser wird die Auswertung. Man bekommt tatsächlich ein besseres Gefühl für eine Trainingseinheit.

  2. Hallo.

    Als ich anfing zu lsen, war ich etwas verdutzt.
    Ein Motion Sensor fürs Reiten… Macht das Sinn und braucht man das denn? Ja, warum nicht. Ist ja in anderen Sportarten auch weit verbreitet oder gar Standard. Warum also nicht auch beim Pferdesport.

    Letztendlich muss es jeder für sich selbst entscheiden. Wie Du schon sagtest: „…ein Smartphone braucht man eigentlich auch nicht… ;-)) und doch haben alle eines.

  3. Spannende Sache! Obwohl der Artikel schon etwas älter ist, hab ich noch nie was darüber gehört! Gibts da auch aktuellere Infos zu dem Thema?

    Liebe Grüße
    Sandra (:

  4. Vielen Dank für diesen Artikel, ich habe mich selbst darin wiedererkannt und musste am Ende ein kleines Lächeln aufsetzen.
    Ich kann es kaum erwarten, mein Pferd Sandra wiederzusehen. Sie ist eine tolle Stute und ich habe auch noch ein tolles Paar Einhorn Hausschuhe
    gefunden, um sie zu reiten. Ich liebe es, mit diesen untypischen Schuhen zu galoppieren! Bin ich die Einzige? ^^

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