Schenkelweichen, Schultervor und Reiten-in-Stellung

Schenkelweichen von hinten gesehen

Zweiter Teil der Serie über die Seitengänge

Schenkelweichen – seitwärts und doch kein Seitengang

Das Schenkelweichen gehört nicht zu den Seitengängen – obwohl es für den Laien so aussieht: Schließlich bewegt sich das Pferd dabei eindeutig seitwärts. Was allerdings fehlt, ist die Längsbiegung. Denn beim Schenkelweichen bleibt das Pferd in sich gerade, nur im Genick ist es gestellt – und zwar gegen die Richtung der Seitwärtsbewegung. Außerdem ist für das Schenkelweichen – anders als für die Seitengänge – noch keine Versammlung notwendig.

Bei einigen Reitern ist das Schenkelweichen verpönt, weil das Pferd dabei mit dem inneren Hinterbein nicht unter seinen Schwerpunkt, sondern seitlich daran vorbei tritt. Andererseits ist es eine sehr gute Übung, um das Pferd mit dem Übertreten unter dem Sattel und den seitwärtsweisenden Hilfen vertraut zu machen und es bei Bedarf darauf zu sensibilisieren. Auch für den Reiter ist es eine hilfreiche Lektion: Er kann dabei sehr gut das richtige Zusammenspiel von innerem und äußerem Zügel sowie der vorwärts-seitwärts-treibenden und verwahrenden Schenkelhilfen üben und erlernen.
Schenkelweichen wird zunächst an der langen Seite geübt, weil die Bande dabei hilft, das Pferd nach vorne zu begrenzen. Später können Sie es auch von der Mittellinie aus zur langen Seite hin oder als Diagonale durch die ganze oder halbe Bahn reiten.

Vorbereitung: Schultervor und Reiten-in-Stellung

Schultervor und Reiten-in-Stellung sind Vorübungen für die eigentlichen Seitengänge: Sie fördern die Längsbiegung und die Durchlässigkeit. Deshalb werden sie auch „Erste und zweite Stellung“ genannt. Dabei sind sie nicht weniger anspruchsvoll zu reiten: Gerade die sehr geringe dabei verlangte Biegung ist nicht so einfach zu erfühlen. Außerdem muss der Reiter bereits eine sehr gute Kontrolle über die einzelnen Hinterbeine des Pferdes haben und genau spüren, welcher Hinterfuß wohin tritt.

Beim Schultervor (auch „Erste Stellung“) soll das Pferd mit dem inneren Hinterbein in Richtung zwischen die beiden Vorderbeine treten. Das äußere Hinterbein soll dabei aber auf der Spur des gleichseitigen äußeren Vorderbeines bleiben. Dadurch ergibt sich eine nur leichte Längsbiegung. Durch das schmalere Spuren der Hinterbeine nehmen diese mehr Last auf – neben der geraderichtenden Wirkung werden deshalb auch Versammlung und Durchlässigkeit gefördert.

Die Hilfen:
Das Pferd wird versammelt oder im verkürzten Arbeitstempo geritten. Der innere Schenkel sorgt am Gurt für die Rippenbiegung und dafür, dass das inneren Hinterbein etwas weiter nach innen – also zwischen die Spur der Vorderbeine – fußt. Der innere Gesäßknochen wird vermehrt belastet.
Besonders wichtig ist der äußere Schenkel: Er liegt verwahrend und verhindert, dass die Hinterhand nach außen ausweicht. Wenn das passiert, geht die Biegung verloren und die Übung verfehlt ihren eigentlichen Zweck.
Der innere Zügel sorgt für die Stellung des Pferdes im Genick nach innen, der äußere Zügel begrenzt die Stellung und verhindert, dass das Pferd über die äußere Schulter ausfällt.

Solange das Pferd noch nicht perfekt gerade gerichtet ist, müssen die Hilfen auf der linken und rechten Hand unterschiedlich dosiert werden: Ist die hohle Seite des Pferdes innen, darf der Hals nicht zu stark abgestellt werden. Da sich das Pferd auf dieser Seite leicht „überbiegt“ ist die Gefahr groß, dass es über die Schulter ausfällt. Das darf aber auch nicht dazu führen, dass die äußere Hand zu fest wird: Oft stützt sich das Pferd auf dieser Hand ohnehin zu stark auf den äußeren Zügel. Wenn dies geschieht, nehmen sie dem Pferd durch kurzes Nachgeben die falsche Stütze.

Ist die feste Seite des Pferdes innen, besteht die Schwierigkeit vor allem darin, das Pferd zur richtigen Stellung und Längsbiegung zu veranlassen. Hier ist also der innere Schenkel gefordert. Außerdem tritt das Pferd auf dieser Hand meist nicht so gut an den äußeren Zügel heran. Hier müssen sie unbedingt eine stabile Verbindung halten, während sie mit dem inneren Zügel die Stellung fordern.

Zu Beginn ist es am einfachsten, das Schultervor aus der Ecke oder aus einer Volte heraus an der langen Seite der Bahn zu reiten. So kann man die Längsbiegung aus der Ecke (oder Volte) beibehalten. Dies gilt übrigens auch für Reiten-in-Stellung, Schulterherein und Travers. Beim Schultervor ist die Abstellung allerdings nur ganz gering – hilfreich ist die Vorstellung, dass das Pferd mit der Vorhand nur ein paar Zentimeter vom Hufschlag weg in die Bahn geführt werden soll.
Am Anfang sollte man sich dabei unbedingt von einem Reitlehrer oder erfahrenen Reiter vom Boden aus helfen lassen, der einem sagt, wann die Abstellung richtig ist und die Hinterbeine wie gewünscht fußen. So können Sie allmählich ein Gespür dafür entwickeln, wie sich richtiges Schultervor anfühlt.

Tipp: Wird das Schultervor erst einmal beherrscht, ist es eine sehr nützliche Übung, um andere Lektionen einzuleiten, beispielsweise Traversalen, Pirouetten oder das Angaloppieren im Außengalopp.

Fortgeschrittene Reiter und Pferde können das Schultervor im Prinzip auf jeder beliebigen Linie reiten. Ohne Anlehnung an einer Bande und auf gebogenen Linien ist es allerdings sehr viel schwieriger, das Pferd gerade und die Hinterbeine genau auf der gewünschten Spur zu halten.

Auch beim Reiten-in-Stellung (auch „Zweite Stellung“) geht es darum, die Längsbiegung zu verbessern. Anders als beim Schultervor wird hier allerdings nicht das innere, sondern das äußere Hinterbein dazu veranlasst, schmaler zu spuren: Der äußere Hinterhuf soll etwas weiter nach innen fußen, so dass er von vorne zwischen den Vorderbeinen zu sehen ist. Diese Verschiebung soll aber nur sehr gering sein: Höchstens einen halbe Hufbreite. Das innere Hinterbein bleibt in der Spur des gleichseitigen Vorderbeines.

Die Hilfen:
Der innere Schenkel hält das innere Hinterbein aktiv und in der Spur des inneren Vorderbeins. Außerdem sorgt er für die Längsbiegung des Pferdes. Der innere Gesäßknochen wird vermehrt belastet. Der äußere Schenkel veranlasst das äußere Hinterbein in Richtung zwischen die Spur der Vorderhufe zu fußen.
Der innere Zügel sorgt für die Stellung des Pferdes im Genick nach innen.
Der äußere Zügel begrenzt die Stellung und verhindert, dass das Pferd über die äußere Schulter ausweicht und sich so der korrekten Längsbiegung entzieht.

Genau wie beim Schultervor müssen die Hilfen auf beiden Händen unterschiedlich – je nach Schiefe des Pferdes – dosiert werden.

Tipp: Falls sie bereits Seitengänge beherrschen, hilft Ihnen beim Reiten-in-Stellung die Vorstellung von Travers, beim Schultervor denken Sie dagegen an Schulterherein.

Mit dem Reiten-in-Stellung sollte erst nach dem Schultervor begonnen werden – denn dann ist das innere Hinterbein bereits aktiviert und weicht beim Reiten-in-Stellung nicht so leicht nach innen aus. Die Lektion kann sowohl auf geraden als auch auf gebogenen Linien geritten werden, in letzterem Fall fällt die Rippenbiegung etwas stärker aus.

Im nächsten Teil wird es um das Schulterherein gehen.

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