Anlehnung

Die Skala der Ausbildung: Anlehnung

Anlehnung

Der Begriff Anlehnung wird besonders häufig missverstanden: Viele Reiter verwechseln Anlehnung mit Beizäumung, am Zügel gehen oder „durchs Genick gehen“. Anlehnung an sich hat aber eigentlich überhaupt nichts mit der Haltung von Kopf und Hals des Pferdes zu tun! Vielmehr bezeichnet sie ausschließlich die „die stete, weich-federnde Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul“ – so steht es in den Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1, der Deutschen Reiterlichen Vereinigung.

So entsteht Anlehnung
Im flotten Geländegalopp kann also die Nasen-Stirn-Linie weit vor der Senkrechten sein, obwohl eine korrekte Anlehnung besteht. Und bei einem Pferd, das in Haltung geht, also mit gewölbtem Hals und Nasen-Stirn-Linie an der Senkrechten, muss deshalb die Anlehnung noch lange nicht stimmen.
Anlehnung wird nicht durch den Reiter hergestellt, indem er das Pferd mit rückwärts weisenden Zügelhilfen zwingt, den Kopf herunter zu nehmen. Vielmehr wird das Pferd durch treibende Hilfen veranlasst, die Anlehnung von selbst nach vorne zu suchen. Anlehnung ist also aus Reitersicht ein eher passiver Vorgang; zumindest lässt sie sich – ähnlich wie die Losgelassenheit – nicht aktiv erzwingen.

Wer dem jungen Pferd in der ersten Zeit Ausbildung eine natürliche Kopf- und Halshaltung erlaubt und ihm den Zügelkontakt immer wieder nur anbietet, wird irgendwann dadurch belohnt, dass das Pferd sich vertrauensvoll an die Hand herandehnt und die Anlehnung regelrecht sucht. Diese Tendenz des Pferdes, an die Hand heranzutreten, also auch jederzeit bei nachgebenden Zügel sich nach vorwärts-abwärts zu dehnen, sollte in allen Lektionen und in jedem Ausbildungsstand erhalten bleiben – bis hin zu Piaffe und Passage.

Wird das Pferd dagegen zu früh (junge Pferde in der Grundausbildung und ältere Pferde in der Lösungsphase) und vor allem durch Handeinwirkung „an den Zügel gestellt“, wirkt sich das immer negativ auf die Losgelassenheit und die Aktivität der Hinterbeine aus. Das junge Pferd benötigt seinen Hals als Balancierstange – zieht der Reiter den Hals mit dem Zügel zusammen, stört er es damit erheblich im Gleichgewicht. Das Pferd wird sich wehren und dagegen ziehen. Die Folge: Es verspannt seine Unterhalsmuskulatur und der Rücken verkrampft und kann nicht locker schwingen.

„Anlehnung ist die stete, weich-federnde Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul. Das Pferd soll durch das taktmäßige, losgelassene Vorwärtsgehen, wofür der Reiter mit seinen treibenden Hilfen verantwortlich ist, die Anlehnung an das Gebiss suchen und somit an die Hand des Reiters herantreten. Man sagt auch: ‚Die Anlehnung wird vom Pferd gesucht und vom Reiter gestattet’.
Merke: Die Anlehnung darf niemals durch Rückwärtswirken mit den Zügeln gewonnen werden; sie muss das Ergebnis der richtig entwickelten Schubkraft sein. Das Pferd muss in folge der treibenden Einwirkung vertrauensvoll an die Hand herantreten.“
Richtlinien für Reiten und Fahren, Bd. 1
"Hauptsache Rübe runter" -  viele Reiter reigelen ihrem Pferd den Kopf herunter, in dem Irrglauben, dass es dann auch "gut laufen" würde.

„Hauptsache Rübe runter“ – diesem Irrglauben unterliegen leider viele Reiter…

Erst wenn das Pferd in Laufe der Ausbildung immer mehr Schubkraft entwickelt und mit den Hinterbeinen in Richtung Schwerpunkt tritt, wird es seinen Hals ganz von alleine vermehrt wölben und im Genick nachgeben. Diese Haltung, bei der sich die Stirn-Nasenlinie der Senkrechten annähert, ist anders als vielfach angenommen kein eigentliches Ziel der klassischen Pferdeausbildung, sondern eher eine Begleiterscheinung. Deshalb kann man die Qualität der Ausbildung eines Pferdes auch nie ausschließlich an seiner Kopf- und Halshaltung beurteilen, wie es leider zu oft getan wird. Natürlich ist es für den Betrachter am einfachsten zu sehen, ob der Kopf „unten“ ist – viel leichter, als zu beurteilen, ob das Pferd im Rücken fest ist oder schwingt und ob die Hinterhand zurückbleibt oder unter den Schwerpunkt fußt. Das führt dazu, das viele Reiter der Versuchung erliegen, dem Pferd irgendwie den Kopf nach unten zu riegeln („Rübe runter“), in dem Irrglauben, das sei die Hauptsache und in der Hoffnung, damit einen guten Eindruck zu machen.

Zur Anlehnung gehört auch, dass der Reiter im richtigen Moment mit der Hand nachgibt und damit die Reaktion seines Pferdes belohnt. Hierfür ist einiges an Gefühl, Gespür und Erfahrung notwendig. Deshalb sollte jeder lernende Reiter die Möglichkeit suchen, auf Pferden zu reiten, die so weit und gut ausgebildet sind, dass sie von sich aus eine gute Anlehnung anbieten. Wer so spüren konnte, wie sich richtige Anlehnung anfühlt, hat es später wesentlich leichter, diese auch einem weniger weit ausgebildetem Pferd zu ermöglichen.

Wie viel Gewicht der Reiter bei korrekter Anlehnung in der Hand haben sollte – dafür gibt es kaum objektive Maßstäbe. Es hängt unter anderem von der Sensibilität des Pferdes, von der Schärfe des Gebisses und nicht zuletzt von der Lektion ab, die gerade geritten wird. So hat der Reiter in stark versammelten Lektionen, wie zum Beispiel einer Galopp-Pirouette, weniger „in der Hand“, weil sich das Pferd hier mehr aufrichtet, sein Gewicht nach hinten verlagert und sich selbst trägt. In einer Trab- oder Galoppverstärkung dagegen, wenn das Pferd regelrecht nach vorne zieht, darf auch der Druck auf dem Gebiss etwas stärker sein.

Daran erkennt man ein Pferd in korrekter Anlehnung

– Die Stirn-Nasen-Linie ist vor der Senkrechten, das Genick ist der höchste Punkt
– Das Maul ist locker geschlossen, die Lippen sind entspannt, leichte Schaumbildung
– Geht der Reiter mit der Hand vor, dehnt das Pferd Kopf und Hals nach vorwärts-abwärts, ohne ihm die Zügel ruckartig aus der Hand zu ziehen.

Wozu braucht man überhaupt Anlehnung?
Nach der klassischen oder deutschen Reitlehre geht es nicht ohne Anlehnung. Das bedeutet, dass nur durch sie überhaupt Gymnastizierung möglich ist. Nach den Richtlinien für Reiten und Fahren gibt die jeweils richtige Anlehnung dem Pferd die nötige Sicherheit, sein natürliches Gleichgewicht unter dem Reiter wieder zu finden und sich im Takt der verschiedenen Gangarten auszubalancieren. Ganz ohne Zügelkontakt sind Haltung und Bewegung des Pferdes demnach nicht zu formen.

Richtige Anlehnung ermöglicht dem Reiter, einen Spannungsbogen von Pferdemaul über den aufgewölbten Rücken bis hin zur Hinterhand herzustellen. Im Idealfall funktioniert das so: Gibt der Reiter eine treibende Hilfe, entwickelt das Pferd mehr Schubkraft aus der Hinterhand, um zu beschleunigen. Fängt der Reiter diese Vorwärtsenergie aber mit den Zügeln ab, gibt das gut gerittene Pferd im Genick nach und „stößt sich vom Gebiss ab“. Ein Zügelanzug (Parade) geht dann durch den ganzen Pferdekörper hindurch und wirkt beugend auf die Gelenke der Hinterhand. Der Reiter kann also über die richtige Anlehnung mit den Zügeln direkt Einfluss auf die Hinterbeine nehmen. Das ist mit dem Begriff Durchlässigkeit gemeint. Vergisst der Reiter allerdings die treibenden Hilfen und wirkt nur mit dem Zügel ein, reicht der Spannungsbogen nur von der Reiterhand bis zum Pferdemaul. Die Folge: Das Pferd rollt sich entweder auf oder weicht dem Zügelanzug nach oben aus – die Parade „bleibt stecken“.

„Die Grundlage für die Zügelwirkung ist die stete Anlehnung am Gebiss. … Mit der Anlehnung kann erst allmählich die Haltung entwickelt werden, die individuell verschieden sein muss. Sie ist nicht nur abhängig von der Form des Halses und der Ganasche, sondern vom ganzen Gebäude, im Besonderen von Rücken und Hinterhand.“

„Man unterscheidet leichte und feste Anlehnung, je nachdem ob das Pferd seine Laden leicht gegen das Mundstück lehnt und die Zügel eben anspannt, oder ob es sich auf das Gebiss stützt und die Zügel stark anspannt. Nur die leichte und gleichmäßige Anlehnung führt zum angestrebten Ziel: zur Durchlässigkeit und später zur Haltung des Pferdes.“
Udo Bürger, Otto Zietzschmann: Der Reiter formt das Pferd

Anlehnung und Reitersitz
Voraussetzung für eine gute Anlehnung ist vor allem ein zügelunabhängiger Sitz. Nur wer im Becken elastisch mit der Pferdebewegung mitschwingt, kann geschmeidig in die Pferdebewegung eingehen und gleichzeitig seine Hände unabhängig vom restlichen Körper ruhig halten bzw. bewegen. Dass man sich nicht am Zügel festhalten darf, sollte selbstverständlich sein, ist es aber weniger häufig als man denkt. Machen Sie den Test an der Longe mit ausgeschnallten Zügeln: Sitzen Sie „freihändig“ in allen Gangarten wirklich genauso sicher wie mit Zügeln?

Um die „ruhige Hand“ gibt es oft Missverständnisse: Die Hände des Reiters sollen nicht ruhig im Sinne von fest oder statisch sein, sondern ruhig im Verhältnis zum Pferdemaul. Gerade im lockeren, fleißigen Schritt machen Kopf und Hals des Pferdes eine relativ starke Nickbewegung. Diese muss der Reiter zulassen, indem er sie mit seinen Händen und Armen begleitet. In den anderen Gangarten und bei zunehmender Versammlung ist die Nickbewegung geringer – aber auch hier muss die Reiterhand immer bereit sein, den Bewegungen des Pferdemauls zu folgen.

Mitvoraussetzung für eine geschmeidige Zügelführung ist die Haltung der Hände: Nur aufrechte Zügelfäuste ohne Knick im Handgelenk ermöglichen einen wirklich sensiblen Kontakt. Wer seine Hände dagegen nach unten dreht („verdeckte Fäuste“) oder nach innen abknickt, hat meist eine zu starre Zügelhand und kommt leicht ins Ziehen. Wie so oft beim Reiten sind scheinbare Kleinigkeiten entscheidend: Achten Sie einmal darauf, ob Sie ihren Daumen oben auf der Zügelfaust flach oder angewinkelt wie ein kleines Dach halten. Der flache Daumen macht das Handgelenk steif, weil dadurch die Unterarmmuskulatur angespannt wird. Mit leicht angewinkeltem Daumen ist das Handgelenk viel beweglicher!

Falscher Knick: Der Kopf ist zwar unten, die Hinterhand jedoch hoch und nach hinten heraus...

Falscher Knick: Der Kopf ist zwar unten, die Hinterhand jedoch hoch und nach hinten heraus…

Probleme mit der Anlehnung
Der Mensch ist im täglichen Leben gewöhnt, das meiste mit den Händen zu regeln. So ist auch beim Reiten die Gefahr groß, zuviel mit den Zügeln machen zu wollen, zu ziehen und fest zu halten. Gerade Anlehnungsprobleme lassem sich aber niemals allein mit der Hand lösen. Fast immer fehlt es an treibenden Hilfen – so werden zum Beispiel Paraden nicht von hinten nach vorne, sondern nur über den Zügeln geritten.

Anlehnungsfehler sind Indikatoren für grundlegende Probleme: Ein Pferd, dass sich auf den Zügel legt, ist nicht ausbalanciert und versucht deshalb, in der Hand des Reiters eine Stütze zu finden. Beginnt ein Pferd, sich bei einer neuen Lektion auf die Hand zu legen, ist die Übung möglicherweise noch zu schwierig und man geht besser noch einmal einen Schritt zurück.
Ein Pferd, das hinter dem Zügel geht, wird zuwenig von hinten nach vorne geritten, mit zu wenig Schubkraft. Möglicherweise hat es auch kein Vertrauen zur Reiterhand und versucht deshalb den Kontakt zu vermeiden. Ist es eng im Hals oder geht gegen den Zügel, mangelt es an Losgelassenheit und Durchlässigkeit, verwirft es sich im Genick, ist es wahrscheinlich im ganzen Körper schief, also nicht gerade gerichtet. Auch Zähne knirschen und so genannte „Zungenfehler“ sind ernst zu nehmende Hinweise auf Anlehnungsprobleme: Knirscht ein Pferd mit den Zähnen, ist ihm meistens etwas im Maul unangenehm. Ein Pferd, das beim Reiten die Zunge seitlich aus dem Maul streckt, versucht meist, auf dieser Seite den Druck zwischen Gebiss und Lade zu verringern. Das geschieht meist auf der Seite, auf der das Pferd fester ist – der so genannten Zwangsseite. Auch das ist also ein Hinweis auf einen Mangel an Geradegerichtetheit.

Hier zeigt sich wieder der im ersten Teil unserer Serie besprochene enge Zusammenhang der einzelnen Punkte der Ausbildungsskala, die nie völlig getrennt voneinander betrachtet werden können. Weiß man Anlehnungsprobleme richtig zu deuten, können sie wichtige Hinweise auf Fehler in der Ausbildung geben und den Weg in die richtige Richtung weisen.

Anlehnungsprobleme haben auf die Dauer auch gesundheitliche Folgen für das Pferd: Bei Pferden die ständig mit angespannter Muskulatur gegen den Zügel gehen oder den Hals stark aufrollen, kommt es mit der Zeit zu Überlastungserscheinungen an Gelenken, Sehnen oder Hals- und Rückenwirbeln, die sich in Lahmheiten äußern oder sogar zu Kissing Spines führen können.

Die häufigsten Anlehnungsprobleme

Hinter der Senkrechten
Stirn-Nasenlinie ist hinter der Senkrechten, häufig in Verbindung mit den „falschen Knick“. Das bedeutet, dass der höchste Punkt des Pferdes nicht das Genick, sondern der Hals in Höhe etwa des dritten und vierten Halswirbels ist.
Ursache: Meist zu starke Handeinwirkung des Reiters.
Abhilfe: Vortreibende Hilfen in Kombination mit einem Vorgehen der Hand.

Hinter dem Zügel
Auch hier geht das Pferd hinter der Senkrechten, allerdings entzieht es sich zusätzlich den Zügelhilfen, indem es nach rückwärts ausweicht.
Ursache: Das Pferd hat – meist durch zu harte Handeinwirkung – das Vertrauen in die Zügelhilfen verloren.
Abhilfe: Hier braucht es einen sehr feinfühliger Reiter mit gutem Gespür für das Zusammenwirken der vortreibenden und verhaltenden Hilfen. Meist muss er mit der Ausbildung von vorne beginnen und das Pferd zunächst eine Weile am langen Zügel reiten, bis es sich wieder traut, sich nach vorwärts an die Hand heran zu dehnen.

Auf dem Zügel
Hier stützt sich das Pferd auf das Gebiss und sucht dadurch das so genannte „fünfte Bein“.
Ursache: Das Pferd tritt nicht genügend von hinten heran und ist nicht ausbalanciert.
Abhilfe: Auch hier hilft vermehrtes Treiben, damit das Pferd beginnt, sich selbst zu tragen. Dabei muss die Hand immer wieder nachgeben und darf dem Pferd keine Stütze anbieten.

Über dem Zügel
Das Pferd versucht sich den Zügelhilfen nach oben zu entziehen. Es gibt nicht im Genick nach, sondern drückt mit der Unterhalsmuskulatur gegen die Hand. Der Rücken ist dabei meist fest und nach unten weggedrückt.
Ein Pferd, das ständig so geht, hat meistens eine entsprechend starke Unterhalsmuskulatur entwickelt. Diese lässt sich nur umformen, indem das Pferd über längere Zeit vor allem in Dehnungshaltung geritten oder longiert wird.

Ursachen für Probleme mit der Anlehnung
Selten ist reine Widersetzlichkeit des Pferdes die Ursache für Anlehnungsprobleme. Viel zu oft wird das Pferd gegen seinen Widerstand durch Strafen, harte Hand oder gar Hilfszügel unter Schmerzen in eine Haltung gezwungen, zu der es körperlich eigentlich gar nicht in der Lage ist. Die Folge: Unmotivierte Pferde, die gegen den Reiter ankämpfen oder resignieren und die Verschlimmerung gesundheitlicher Probleme. Hat ein Pferd Schwierigkeiten mit der Anlehnung, sollten immer zunächst einmal gesundheitliche Probleme ausgeschlossen werden.

Eine besonders häufige Ursache dafür, dass das Pferd die Anlehnung zu meiden versucht, sind Probleme mit den Zähnen. Wenn ein Pferd ohne Zügelkontakt entspannt geht und sich beim Aufnehmen der Zügel regelmäßig zu wehren beginnt, lohnt sich auf jeden Fall eine Untersuchung durch einen Zahnspezialisten. Die Möglichen Probleme im Maul sind vielfältig:
Besonders häufig ist die Hakenbildung: Durch das Kauen nutzen sich die Zähne des Pferdes oft ungleichmäßig ab. Dadurch können an den Zahnrändern scharfe Haken und Kanten entstehen. Innen liegende Zahnhaken können die Zunge verletzen, außen liegende die Mundschleimhaut. In beiden Fällen hat das Pferd Schmerzen im Maul, die sich durch das Gebiss verstärken können.
Auch Haken- und Wolfszähne verursachen oft Probleme mit der Anlehnung. Wolfszähne sind rudimentäre, etwa 1 cm lange Zähne, die nicht mit dem Kieferknochen verbunden sind und keine Funktion mehr haben. Sie sitzen vor dem ersten Backenzahn meist im Oberkiefer, also genau da, wo auch das Gebiss im Maul liegt. Manchmal brechen sie auch nicht durch und liegen unter dem Zahnfleisch verborgen. Wenn dann von oben ein Gebiss darauf drückt, kann das extrem schmerzhaft sein.
Die Hakenzähne sitzen eigentlich weit weg von der Lage des Trensengebisses. Wenn sie besonders scharkantig sind, scheuert allerdings manchmal die Zunge daran. Dann müssen sie abgeschliffen werden.

Das Problem kann auch in den Laden oder dem Kiefergelenk liegen: Einige Pferde haben sehr scharfkantige Laden, auf denen durch das Gebiss Ladendruck entstehen kann. Dabei entzündet sich die Knochenhaut – man kann sich leicht vorstellen, dass jeder Zügelanzug dann extrem schmerzhaft ist. Infolge der Knochenhautentzündung entsteht häufig neue Knochensubstanz, es bildet sich eine Art Überbein auf den Laden. Wird eine solche Entzündung festgestellt, muss das Pferd auf jeden Fall gebisslos geritten werden, bis sie abgeheilt ist. Danach kommen die meisten Pferde gut mit einem besonders weichen Gebiss zurecht.
Viele Pferde kauen nur auf einer Seite und belasten dadurch ihr Kiefergelenk ungleichmäßig. Dadurch entstehen manchmal Entzündungen in diesem Gelenk, die beim Herantreten an das Gebiss Schmerzen verursacht.

Gesundheitliche Ursachen für Anlehnungsprobleme müssen nicht unbedingt im Maul liegen: Auch Wirbel-Blockaden, Muskel-Verspannungen oder Verkürzungen oder ein schlecht sitzender Sattel können dazu führen, dass ein Pferd nicht richtig an das Gebiss heran treten will und kann. Wurden alle anderen Ursachen ausgeschlossen, ist es sinnvoll, das Pferd von einem entsprechenden Spezialisten untersuchen, beziehungsweise die Ausrüstung von einem Fachmann prüfen lassen.

Anlehnung in anderen Reitweisen
Nicht in allen Reitweisen wird der Anlehnung eine so große Bedeutung beigemessen wie in der deutschen Reitlehre. So ist zum Beispiel beim Westernreiten Ziel der Ausbildung, dass das Pferd am losen oder sogar durchhängenden Zügel geht. Zu Beginn der Ausbildung wird auch hier meist mit Wassertrense und mehr Verbindung zwischen Hand und Pferdemaul geritten, um Balance und Haltung unter dem Reiter fördern zu können. Nach und nach strebt der Reiter aber an, mit immer weniger Zügelkontakt auszukommen. Die Zügel hängen dann durch und werden einhändig geführt. Die Zügelhilfen werden impulsartig gegeben, die Zügel also nur kurz angenommen und sofort wieder locker gelassen. Als Gebiss ist in diesem Ausbildungsstand eine blanke Kandare (Westernstange) üblich. Im Westernreiten werden die Zügelhilfen übrigens nicht nur über das Gebiss gegeben. Auch der Zügel selbst wird eingesetzt, um das Pferd über Kontakt an Hals und Schultern seitlich zu begrenzen und zu führen.
Das Pferd soll sich im Westernreiten also auch ohne ständigen Zügelkontakt ausbalancieren und zur Selbsthaltung finden. Der Hintergrund: Das Westernreiten ist eine Arbeitsreitweise – beim Viehtrieb saßen die Hirten meist den ganzen Tag im Sattel und brauchten außerdem oft eine Hand für das Lasso oder andere Werkzeuge. Also musste die Zügelführung möglichst ökonomisch und vor allem einhändig funktionieren. Ein ständiger, beidhändiger Zügelkontakt wäre da viel zu anstrengend und lästig gewesen. Das gilt übrigens auch für andere Arbeitsreitweisen wie die spanische Doma Vaquera oder die südfranzösische Camargue-Reitweise.

Die beiden ersten Teile der Serie über die Skala der Ausbildung findet ihr hier (Takt) und hier (Losgelassenheit).

6 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Vielen Dank für diesen ausführlichen Artikel. Ich lese immer von der berühmten Anlehnung, habe aber noch nie eine so klare und organisierte Erklärung bekommen. Danke und viele Grüße, Petra

  2. Vielen Dank für den netten Kommentar! Ich freue mich immer sehr, wenn mir jemand Rückmeldung gibt zu meinen „Werken“!

  3. Sehr schön und verständlich geschrieben! Das sollte sich die Frau auch mal durchlesen, bevor sie wieder versucht, meine Hinterbeine mit der Hand mehr unter den Körper zu bringen 😉

    LG
    Dein Pfridolin

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