Sollte sich jeder ein Jungpferd kaufen und es selbst ausbilden?

Als Freizeitreiter das eigene Jungpferd selbst auszubilden ist ein tolle Sache - wenn man genügend Erfahrung mitbringt!

Als Freizeitreiter das eigene Jungpferd selbst auszubilden ist ein tolle Sache – wenn man genügend Erfahrung mitbringt!



Kommentar zum Artikel „Jungpferde für jeden“ in der Januar Ausgabe der Zeitschrift Cavallo

Musstet Ihr auch so schlucken beim Lesen des Standpunkts des Monats: „Jungpferde für jeden“ in der Januar-Ausgabe der Cavallo? Zur Erinnerung: Darin wird ausgeführt, warum sich auch unerfahrene Freizeitreiter lieber ein vierjähriges Jungpferd kaufen sollten, als einen bereits ausgebildeten sieben- bis achtjährigen. Dabei werden teils so hahnebüchene Argumente aufgeführt, dass ich dazu unbedingt meinen Senf loswerden muss.

Ich vermute, die Redaktion hat hier absichtlich eine sehr pointierte Position eingenommen, um eine kontroverse Diskussion anzustoßen. Ich halte das aber für ziemlich bedenklich, denn sicher wird sich so mancher Reiteinsteiger durch einen solchen Artikel ermutigt fühlen, sich ein unerfahrenes Pferd anzuschaffen – und  sich damit jede Menge Probleme einhandeln.

Vorab – ich selbst bin eine große Verfechterin davon, sich ein Jungpferd zu kaufen und es selbst auszubilden. Ich hatte bisher drei eigene Pferde, zwei davon kamen als Jungpferd zu mir und ich habe das nie bereut und würde es auch immer wieder so machen.


Jungpferde – gerne! Aber nur mit ausreichend Erfahrung…

Man könnte also meinen, ich müsste dem Cavallo-Artikel voll zustimmen. Jetzt kommt das große ABER: Als ich mir mein erstes Pferd, einen Jährling, kaufte, hatte ich bereits rund 20 Jahre Reiterfahrung. Außerdem hatte ich direkt vorher ein einjähriges Praktikum auf einem Reiterhof gemacht, bei dem ich sehr viel über Bodenarbeit, Vermittlung von Hilfenverständnis und allgemein über Kommunikation mit dem Pferd gelernt hatte. Und noch dazu handelte es ich bei diesem Pferd um einen sehr unkomplizierten und gutmütigen Schwarzwälder Fuchs, der mir meine Fehler nie krumm genommen hat.

In dem Cavallo-Artikel werden nun aber Jungpferde empfohlen für Reiter, die „bereits alle Grundgangarten ausbalanciert sitzen und gezielte Hilfen geben“ können. Bei regelmäßigem und gutem Unterricht kann man das wohl spätestens nach einem Jahr. Nach einem Jahr Reiterfahrung ein Jungpferd selbst ausbilden??? Entschuldigung, aber selbst bei Unterstützung durch einen guten Reitlehrer halte ich das für eine ziemliche Schnapsidee – außer der Trainer macht parallel zwei- bis dreimal wöchentlich Beritt; aber wer kann sich das schon leisten? Für mich ist das, wie wenn man nach einem einwöchigen Heimwerkerseminar ein Haus bauen wollte.

Die Argumente der Autorin

Sie schreibt zum Beispiel, sieben- bis achtjährige würden sich im Flegelalter befinden. Junge Pferde ließen sich dagegen noch perfekt formen: „Auch von schwächeren Reitern“! Meiner Erfahrung nach ist in diesem Alter das Flegelalter im wesentlichen vorbei. Das Pferd ist bereits geformt. Natürlich gibt es auch Pferde, die negativ geformt sind, aber ein solches würde ja auch niemand für einen Einsteiger empfehlen. Kauft man sich dagegen eine drei- oder Vierjährigen, kommt man in den Genuss der gesamten Flegeljahre.

Als Negativbeispiel werden Warmblüter aufgeführt, die sich für den Einsatz im Sport nicht eignen und deshalb an Freizeitreiter verkauft werden. Diese Tiere hätten „oft negative Erfahrungen mit Reitern gemacht, die bis an die Grenzen ihres Leistungspotenzials herangangen sind.“ Dabei sammle das Pferd schlechte Erfahrungen. Auch dieses Argument hakt doppelt: Zum einen stört mich die pauschale Verteufelung sportlich orientierter Warmblut-Ausbilder. Natürlich läuft hier sehr viel verkehrt und viele Pferde tragen durch die verbreitete Schnellausbildung Schäden davon. Aber das sind Negativbeispiele, die es genauso in anderen Sparten und bei anderen Rassen gibt – vom Westernreiten bis hin zur Gangpferdeszene. Daneben gibt es aber auch im Warmblutbereich viele verantwortungsvolle Züchter, Ausbilder und Reiter, die ihre (Jung-)pferde schonend und korrekt trainieren.

Zum anderen kaufen sich doch heute sehr viele Freizeitreiter gar kein Warmblut, sondern eine der Dutzenden Freizeitpferde- und Spezialrassen vom Haflinger bis zum Spanier. Und auch die haben die unterschiedlichsten Hintergründe: Auch hier gibt es sorgsam aufgezogene und sachgerecht ausgebildete Tiere genauso wie welche mit schlechten Erfahrungen oder schlechter Ausbildung.

Doch nochmal zurück zu den Warmblütern – die Autorin schreibt weiter: „Solche Pferde sind es gewohnt sehr reglementiert geritten zu werden und erleben jetzt einen unsicheren, teilweise auch unentschlossenen Reiter. Vermittelt der dem Tier zu wenig Führung, übernimmt das Pferd naturgemäß diesen Part.“ Und warum bitte, sollte das bei einem Jungpferd anders sein? Gerade ein unerfahrenes Tier braucht doch eine sichere Führung, je nach Charakter wird es sonst entweder selbst völlig verunsichert oder übernimmt eben die Führung – nur mit wahrscheinlich viel fataleren Folgen als bei einem erfahreneren Pferd.

Weiter im Text: „Beim Vorbesitzer hat das Pferd konsequent Hilfen … kennengelernt und und jetzt versteht es die ungenauen Hilfen nicht. Es reagiert erst nachlässig, irgendwann ignoriert es sie einfach völlig.“ Ja mei, dieses Pferd hat dann wenigstens schon mal die Chance gehabt zu lernen, was richtig gegebene Hilfen bedeuten. Ein Jungpferd dagegen wird ungenaue Hilfen gar nicht erst verstehen – das Chaos ist vorprogrammiert.

„Viele Freizeitreiter möchten ihr Pferd mir feinen Hilfen reiten und fühlen sich von ihrem Pferd hintergangen, wenn es diese Hilfen ignoriert.“ Schon wieder so ein doppelt blödes Argument: Erstens: Auch die meisten sportlich orientierten Reiter möchten ihr Pferd mir feinen Hilfen reiten, dass das nicht immer gelingt ist ein anderes Thema. Zweitens: Auch einem Jungpferd muss man die Hilfen erst einmal ERKLÄREN, bevor es dann auf immer feinere Hilfen reagieren kann.

Diesem Satz kann ich dann wieder voll zustimmen: „Doch in solchen Fällen hilft keine grobe Reiterei, sondern ein kompetenter Reitlehrer.“ Dieser ist dann hoffentlich auch beim Pferdekauf dabei und wird dem Einsteiger ein erfahrenes Pferd OHNE negative Prägung empfehlen.

Scheuen – vor allem ein Problem von erfahrenen Pferden?

Ein weiteres Argument in dem Artikel ist das Thema Scheuen. Hierzu heißt es: „Ein unsicherer Reiter verstärkt das Problem, weil er meistens auch bei jedem kritischen Moment zuckt, anstatt dem Pferd Sicherheit zu vermitteln. Im Laufe der Zeit bildet sich eine Angstspirale.“ Da kann ich nur voll und ganz zustimmen. Aber wie kann man darauf kommen, aus diesem Grund ein unerfahrenes Pferd zu empfehlen? Die ersten Ausritte mit einem jungen Pferd sind meist ziemlich aufregend – alles ist neu: Verkehrsschilder, Müllsäcke am Straßenrand, der Holzstoß im Wald, der Hund eines Spaziergängers – diese Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Wenn der Reiter hier jedes mal zuckt, bringt er dem Pferd doch gerade erst bei, dass das alles gefährliche Dinge sind. Ein erfahrenes Pferd dagegen hat das alles schon mal gesehen und lässt sich deshalb von einem ängstlichen Reiter auch nicht so leicht verunsichern.

Und dann möchte ich zuletzt noch hierzu etwas sagen: „Für den Freizeitreiter eignet sich prinzipiell ein von Natur aus gelassenes Pferd, das nicht träge ist. Es soll leicht auf Reiterhilfen reagieren , aber auch nicht übersensibel sein.“ Klaro – aber wie stellt man das bei einem ungerittenen Jungpferd vor dem Kauf fest? Das ist doch viel leichter herauszufinden, wenn man den zukünftigen Freizeitpartner probereiten kann – und zwar möglichst auch im Gelände.

Und auch hierzu noch ein zweites: Ein sensibles Pferd ist nun mal in der Regel auch nerviger, schreckhafter und temperamentvoller. Und ein von Natur aus gelassenes Pferd ist meist nicht ganz so schnell in seinen Reaktionen und etwas gemütlicher. Die eierlegende Wollmilchsau gibt es halt nicht. Aus eigener Erfahrung würde ich für den Erstpferdebesitzer immer die gemütliche Variante vorziehen, denn solche Pferde reagieren normalerweise auch nicht so empfindlich auf die unvermeidlichen Fehler des Einsteigers.

Jetzt würden mich Eure Meinung und Eure Erfahrungen interessieren:

Habt Ihr den Artikel in der Cavallo gelesen und was habt Ihr euch dabei gedacht?

War Euer erstes eigenes Pferd ein Jungspund oder ein erfahrener Profi? Und wie ist es Euch damit ergangen? Würdet Ihr es wieder so oder beim nächsten Mal ganz anders machen?

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ich habe mir vor ca. einem halben Jahr eine 3-jährige Stute gekauft, von meinem Jugendweihegeld. Mit meiner Trainerin habe ich mein Pferd eingeritten. Ich hatte davor auch noch nicht soviele Erfahrungen und ich habe mich auch von Anfang an, nach den Vorbereitungen, dadrauf gesetzt. Davor hatte ich eine 5-jährige Stute für 6 Wochen zur Probe bei mir zuhause. Und sie hat nur gebockt und war auch viel schwieriger zu reiten, als meine jetzige Stute.

  2. Ich bin voll und ganz deiner Meinung. Wenn man ein 7- jähriges Pferd hat dass schlechte Erfahrungen hat ist das sicher schwieriger als ein Jungpferd. Ein Jungpferd sollte man sich jedoch erst nach ca. 10 Jahren Erfahrung kaufen. Und auch dann sollte man es bestimmt nicht alleine sondern mit einem guten Trainer ausbilden.

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